Mit Kugelschreiberfedern und Lasern auf den Spuren von Rosalind Franklin

von Stefan Petersen

Ein zentrales wissenschaftliches Rätsel des 20. Jahrhunderts war die Frage nach der Struktur der DNA. Rosalind Franklin hat maßgeblich zur Beantwortung dieser Frage beigetragen. In ihrem Labor nahm sie zusammen mit Raymond Gosling Röntgenbeugungsbilder auf, aus denen sich die bekannte Doppelhelixstruktur der DNA ableiten ließ. Mit Kugelschreiberfedern und Laserpointern lassen sich wesentliche Schritte der Entdeckung in einfachen Experimenten nachvollziehen.

Das etwas unscheinbar daherkommende Röntgenbeugungsbild „Photo 51“. Aufgenommen im Mai 1952 von Raymond Gosling, damals Doktorand von Rosalind Franklin am King’s College London, lieferte es entscheidende Information zur Aufklärung der Struktur der DNA. Das Bild wurde daher auch als Kandidat für „the most famous photo ever taken“ bezeichnet [1].

Die seltsame Natur des Lichts

Licht, sei es in Form von Röntgenstrahlen, sichtbarem Licht oder auch Radiowellen, verhält sich, je nach Situation scheinbar unterschiedlich. Bei optischen Abbildungen, wie sie im Mittelstufenphysikunterricht behandelt werden, lässt sich Licht durch ein Strahlenmodell beschreiben. In der weiteren Schullaufbahn trifft man dann auf Phänomene, die eine Beschreibung von Licht als Welle erfordern. In der Quantenphysik wiederum besitzt Licht Eigenschaften, die man sonst nur von Teilchen kennt – die Welt ist offensichtlich kompliziert.

Wenn Licht mit Licht wechselwirkt

Die Welleneigenschaften von Licht führen zu einem spannenden Phänomen, der Interferenz. Dabei wechselwirken Lichtwellen miteinander und können sich verstärken oder auslöschen. Mit Hilfe der Interferenz können Strukturen wie die DNA untersucht werden, die für eine Vermessung sonst nicht gut zugänglich sind.

Abbildung 1: Überlagerung zweier Wellen gleicher Wellenlänge. Wenn die Verschiebung der Wellen ein ungerades bzw. gerades Vielfaches der halben Wellenlänge ist, tritt destruktive (rechts oben) bzw. konstruktive Interferenz (rechts unten) auf – die Wellen löschen sich maximal aus oder verstärken sich maximal.

Interferenzversuche mit dem Laserpointer

Mit einem Laserpointer lässt sich Interferenz auf vielfältige Weise untersuchen. Zur Erzeugung von Interferenz muss das Laserlicht auf eine (regelmäßige) Struktur mit Abmessungen etwa in der Größenord nung der Lichtwellenlänge treffen. Das rote Licht eines Laserpointers besitzt eine typische Wellenlänge von 650 nm, also 650 millionstel Millimeter. Passende Strukturen für Interferenzversuche sind daher zum Beispiel enge Liniengitter, BluRay-Discs oder Haare [2].

Interferenzmuster bei Beugung von Laserlicht an einem menschlichen Haar. Die Bestimmung der Haardicke war eine experimentelle Hausaufgabe der PhysikOlympiade in Deutschland [3].

Doppelhelix und Kugelschreiberfedern

Der Durchmesser der DNA beträgt nur wenige Nanometer. Daher kommt zu deren Untersuchung durch Interferenz Röntgenstrahlung mit einer Wellenlänge von ebenfalls wenigen Nanometern zum Einsatz.

Statt DNA-Proben und Röntgenstrahlen lassen sich mit Kugelschreiberfedern und Laserpointer aber ebenfalls helikale Strukturen mittels Interferenz untersuchen.

Leuchtet man mit dem Laserpointer seitlich auf die Feder des Kugelschreibers, so kann – etwas experimentelles Geschick vorausgesetzt – in einiger Entfernung auf einem Schirm ein Interferenzmuster beobachtet werden. Das Muster besitzt nicht nur zu fällig Ähnlichkeit zu dem Muster auf dem berühmten „Photo 51“.

Abbildung 2: Kugelschreiber mit ausgebauter Feder.
Abbildung 3: Interferenzmuster bei Beleuchtung einer Kugelschreiberfeder mit einem Laserpointer.

Aber wie genau kommt nun das Interferenzmuster zu Stande? Die Kugelschreiberfeder besitzt, ähnlich der DNA, eine Spiralform. Die Federdicke a und der Abstand d zwischen zwei übereinanderliegenden Windungen der Feder führen zu Interferenz. Daher sind in dem Bild in den beiden gegen einander verkippten Streifen jeweils zwei Interferenzmuster übereinander zu sehen – ein gröberes und ein feineres. Das gröbere Muster resultiert aus der Interferenz an einem einzelnen Draht der Feder, ähnlich zur Interferenz an einem Haar. Die enger zusammenliegenden dunklen Streifen entstehen durch Interferenz an mehreren übereinander liegenden Windungen der Feder, die wie ein Gitter wirken.

Skizze der Kugelschreiberfeder. Die Feder besitzt drei charakteristische Größen: Die Dicke a des Federdrahtes, den Abstand d zwischen zwei übereinanderliegenden Windungen und den Winkel β, um den die Windungen gegeneinander verkippt sind.

In dem Bild ist erkennbar, dass etwa vier dunkle Streifen des feineren Musters dem Abstand zwischen zwei dunklen Bereichen des gröberen Musters entsprechen. Daher ist der Abstand zwischen zwei Windungen der Kugelschreiberfeder etwa vier Mal so groß wie die Dicke des Federdrahtes. Darüber hinaus lässt sich der Winkel β, um den die Windungen der Feder gegeneinander verkippt sind, direkt als Winkel zwischen den beiden Interferenzverläufen ablesen. Mit Kenntnis der Wellenlänge des Lasers und des Abstandes zwischen der Feder und dem Schirm können die Dicke des Drahtes und der Abstand der Windungen aus dem Interferenzbild auch genau bestimmt werden.

Das Experiment mit Schülerinnen und Schülern

Mit einer Kugelschreiberfeder und einem Laserpointer lässt sich eine der wichtigsten naturwissenschaftlichen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts in einem Modellexperiment nachvollziehen. Dabei erlaubt das Experiment sowohl qualitative Erklärungen als auch präzise quantitative Auswertungen [4].

Die quantitative Auswertung ist auch für sehr gute Schülerinnen und Schüler herausfordernd. Bei der Internationalen PhysikOlympiade (IPhO) 2015 in Mumbai, Indien, kam ein ähnliches Experiment zum Einsatz, das für die etwa 400 Teilnehmenden aus aller Welt eine spannende Herausforderung darstellte [5]. Bei der European Olympiad of Experimental Sciences (EOES) 2022 in Hradec Králové, Tschechien, konnten die Teams ebenfalls die Interferenz an einer Kugelschreiberfeder als Analogexperiment zur Röntgenstreuung an DNA untersuchen.

Wir haben das Experiment bereits mehrfach als Teil von Lerneinheiten zum physikalischen Problemlösen eingesetzt, in denen die Teilnehmenden sich schrittweise mit Interferenzphänomenen vertraut gemacht haben, um am Ende die durch Kugelschreiberfedern hervorgerufenen Interferenzmuster zu interpretieren und auszuwerten [6].

Der spannende Kontext, die fachliche Tiefe und die einfache experimentelle Umsetzung machen das Experiment zu einem echten Highlight.

[1] BBC: The most important photo ever taken? https://www.bbc.com/news/health-18041884

[2] Übersicht über Interferenzphänomene bei LEIFIphysik: https://www.leifiphysik.de/optik/beugung-und-interferenz

[3] Aufgaben und Lösungen der 2. Runde der PhysikOlympiade in Deutschland 2016: https://www.scienceolympiaden.de/media/1319/download/47_IPh_2016_2Rd_ Aufgaben_Loesungen_web.pdf

[4] Thompson, J., et al. (2018). Rosalind Franklin‘s X-ray photo of DNA as an undergraduate optical diffraction experiment. American Journal of Physics, 86(2), 95–104. https://doi.org/10.1119/1.5020051

[5] Aufgaben der Internationalen Physik-Olympiade (IPhO) 2015 in Mumbai: https://www.ipho-new.org/download/668/

[6] Wulff, P., et al. (2021). Förderung von Schülerinnen in naturwissenschaftlichen Enrichmentprogrammen – Evaluation eines Förderangebotes im Rahmen der Physik-Olympiade. In Lazarides, R., Raufelder, D. Eds. Motivation in unterrichtlichen fachbezogenen Lehr-Lernkontexten: Perspektiven aus Pädagogik, Psychologie und Fachdidaktiken. Edition ZfE, vol 10. Springer VS. https://doi org/10.1007/978-3-658-31064-6_14

Über den Autor:

Dr. Stefan Petersen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Didaktik der Physik am IPN. Als Wettbewerbsleiter der PhysikOlympiade in Deutschland begeistern ihn physikalische Probleme aller Art. petersen@leibniz-ipn.de