Kompetenzförderung beim Experimentieren
Beitrag in Sammelwerk › Forschung
Publikationsdaten
Von | Kerstin Kremer, Andrea Möller, Julia Arnold, Jürgen Mayer |
Originalsprache | Deutsch |
Erschienen in | Jorge Groß, Marcus Hammann, Philipp Schmiemann, Jörg Zabel (Hrsg.), Biologiedidaktische Forschung: Erträge für die Praxis |
Seiten | 113-128 |
Herausgeber (Verlag) | Springer Spektrum |
ISBN | 978-3-662-58442-2, 978-3-662-5843-9 |
DOI/Link | https://doi.org/10.1007/978-3-662-58443-9_7 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht – 07.2019 |
„Mir hat gefallen, dass wir eigenständig rausfinden konnten, was in der Natur passiert.“ „Es wurde nicht nur unterrichtet, wir mussten auch selber denken.“ – Mit diesen Aussagen beschreiben Schülerinnen und Schüler in der Mittelstufe eines Gymnasiums in einer fachdidaktischen Studie ihre positiven Erlebnisse beim Durchführen von Experimenten im Biologieunterricht (Schmidt 2016). Diese Schüleraussagen decken sich mit empirischen Befunden, die zeigen, dass Experimente im Biologieunterricht von Lernenden als besonders positiv bewertet werden (Vogt et al. 1999). Durch das Experimentieren kann so situationales Interesse entstehen, das wiederum zu individuellem Interesse am Fach Biologie führen kann und damit einen Einfluss auf die zukünftige Beschäftigung mit biologischen Themen hat (Vogt et al. 1999; Kap. 5). Doch die Bedeutung der Einbindung von Schülerexperimenten in den Biologieunterricht geht weit über die Interessensentwicklung hinaus. Das Wissen über diese naturwissenschaftliche Erkenntnismethode ermöglicht es Schülerinnen und Schülern, naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung zu verstehen, zu bewerten und schließlich für ihre persönliche Lebensgestaltung nutzbar zu machen. In einer von Naturwissenschaften und Technik geprägten Gesellschaft gehören Kompetenzen im Bereich der Erkenntnisgewinnung neben naturwissenschaftlichem Fachwissen sowie einem grundsätzlichen Verständnis über die Charakteristika der Naturwissenschaften (Nature of Science) zu einer naturwissenschaftlichen Grundbildung, international auch als Scientific Literacy bezeichnet (Bybee 2002, S. 23 ff.; Kap. 7). Vor diesem Hintergrund sind die Entwicklung eines Verständnisses über den Experimentierprozess sowie die Fähigkeit zur Durchführung der einzelnen Teilschritte (Fragen stellen, Hypothesen formulieren, Experimente planen und durchführen, Daten erheben, analysieren und Schlussfolgerungen ziehen) zentrale Ziele im Kompetenzbereich „Erkenntnisgewinnung“ der deutschen Bildungsstandards Biologie (KMK 2005). Das Experimentieren ist hier, entsprechend dem Kompetenzbegriff nach Weinert (2001), allerdings nicht als ein kochrezeptartiges Abarbeiten von Arbeitsaufträgen zu verstehen, sondern als spezifischer Problemlöseprozess (Hofstein und Lunetta 2004; Mayer 2007; Millar 2009; Di Fuccia et al. 2012; Kremer et al. 2014; Schmidt 2016).
Bereits seit vielen Jahrzehnten gibt es eine Forschungstradition in der Didaktik der Biologie und auf dem Gebiet der Science Education, die sich mit der Analyse von Lernschwierigkeiten und Problemen auseinandersetzt, mit denen Lernende beim problemorientierten Experimentieren konfrontiert sind. Um das Erreichen der oben genannten Lernziele, die mit dem Experimentieren verbunden sind, im Biologieunterricht zu ermöglichen, wird empfohlen, den Experimentierprozess in das Konzept des Forschenden Lernens einzubetten (Schmidkunz und Lindemann 1992; Mayer 2014). Kennzeichen des Forschenden Lernens ist die Vermittlung von fachgemäßen Denk- und Arbeitsweisen in einer konstruktivistisch geprägten und an der idealisierten Grundstruktur echter Forschungsprozesse orientieren Weise (Hmelo-Silver et al. 2007; Kap. 17). Im Rahmen dieser Methode führen Schülerinnen und Schüler die Untersuchungen selbstständig durch und reflektieren Erkenntnisschritte und -methoden (z. B. Mayer und Ziemek 2006; Mayer 2014). Vergleicht man jedoch fachdidaktische Studien zur Wirksamkeit des Forschenden Lernens, so zeigt sich eine große Spannweite hinsichtlich der Lerneffektivität von Lernformaten, die den Ansatz des Forschenden Lernens aufgreifen (Schmidt 2016).
In diesem Kapitel werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Wirksamkeitsstudien zur Ausgestaltung eines Unterrichts nach dem Prinzip des Forschenden Lernens vorgestellt und im Hinblick auf die Gestaltung von schulpraktischen Experimentiereinheiten diskutiert. Dabei wird ebenfalls dargelegt, welcher Lernbedarf besteht und wie die Ergebnisse biologiedidaktischer Forschung in der Praxis genutzt werden können, um Kompetenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung durch Forschendes Lernen zu erwerben und zu sichern.