Argumentieren als naturwissenschaftliche Praktik
Beitrag in Sammelwerk › Transfer
Publikationsdaten
Von | Helge Gresch, Julia Schwanewedel |
Originalsprache | Deutsch |
Erschienen in | Jorge Groß, Marcus Hammann, Philipp Schmiemann, Jörg Zabel (Hrsg.), Biologiedidaktische Forschung: Erträge für die Praxis |
Seiten | 167-185 |
Herausgeber (Verlag) | Springer Spektrum |
ISBN | 978-3-662-58442-2, 978-3-662-5843-9 |
DOI/Link | https://doi.org/10.1007/978-3-662-58443-9_10 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht – 07.2019 |
Anhand der Kontroverse, ob es sich bei Euglena um eine Pflanze oder ein Tier handelt, lässt sich die Bedeutung des Argumentierens für die naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung herausstellen. Den beiden Aussagen liegen zwei konkurrierende Vorstellungen über die taxonomische Einordnung zugrunde, für die jeweils Evidenz aus den zuvor unter dem Mikroskop gemachten Beobachtungen herangezogen wird. Das Beispiel von Euglena verweist darauf, dass Aussagen zu naturwissenschaftlichen Phänomenen einer evidenzbasierten Begründung und Daten aus empirischen Untersuchungen sowie einer argumentativen Einordnung in bestehende Wissensbestände und Theorien bedürfen. Ein historischer Rückblick zeigt, dass Botaniker Euglena als Pflanze einordneten und Zoologen als Tiere (Purves et al. 2011). So teilte auch Linné im 18. Jh. die Lebewesen entweder dem Pflanzen- oder Tierreich zu – ohne Berücksichtigung der bereits bekannten einzelligen Lebewesen. Erst weitere Evidenz, generiert mithilfe neuer Methoden wie Elektronenmikroskopie und molekularer phylogenetischer Analysen, veränderte den wissenschaftlichen Diskurs dahingehend, dass Euglena heute weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren, sondern vielmehr zu den Excavata, einer weiteren Großgruppe der Eukaryoten, gerechnet wird.
An diesem Beispiel zur Systematik der Gattung Euglena soll exemplarisch die Bedeutung naturwissenschaftlicher Argumentationen als einem zentralen Element des naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnungsprozesses aufgezeigt werden. Auf diese Weise werden alternative Hypothesen und Theorien evidenzbasiert beurteilt und diskutiert (Driver et al. 2000). Argumentieren im Biologieunterricht hat somit einerseits eine wissenschaftspropädeutische Funktion, um die epistemologischen Grundlagen des naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnungsprozesses zu verstehen (Sandoval und Millwood 2007). Andererseits dient das Argumentieren als sozial-konstruktivistischer Lernprozess ebenso wie in der Wissenschaft der Konstruktion von Wissen (Jiménez-Aleixandre 2007).