Lehren und Lernen in Distanz und mit digitalen Medien: Die 13. SH-Sommeruniversität fand online statt

29. Juli 2021

Nachdem die Sommeruniversität im Jahr 2020 pandemiebedingt ausgefallen ist, wurde am 22. und 23. Juli die 13. SH-Sommeruniversität ganz zum Thema passend als Online-Veranstaltung durchgeführt. Damit ergab sich eine interessante Übereinstimmung von Format und Inhalt: die Vorträge und Workshops befassten sich mit den Themen Schule in der Pandemie und dem digitalen Lehren und Lernen. Da die Veranstaltung selbst online durchgeführt wurde, ergab sich die Möglichkeit, deutlich mehr Teilnehmende zuzulassen, als sonst in Präsenz möglich gewesen wäre. Zudem konnten dadurch einige Personen teilnehmen, für die eine Anreise in Präsenz nur schwer einzurichten gewesen wäre. Insgesamt meldeten sich über beide Tage 115 Schulleitungen und Lehrkräfte an. Eine tageweise Teilnahme war möglich, so dass sich die Zahl der Teilnehmenden auf beide Tage verteilte.

Die Veranstaltung wurde von Ministerin Karin Prien vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holsteins (MBWK) eröffnet, die in ihrem Grußwort die Herausforderungen und Chancen betonte, die sich in Zeiten der Pandemie für das Schulsystem in Schleswig-Holstein ergaben und immer noch ergeben. Sie rief die Teilnehmenden dazu auf, die Sommeruniversität für den Dialog zur Schule der Zukunft mit dem Ministerium und der Wissenschaft zu nutzen.

Den inhaltlichen Auftakt machte Prof. Dr. Olaf Köller, Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des IPN, der einen ausführlichen und sehr aktuellen Überblick über die Befunde der empirischen Forschung zu Bildungserträgen und zur aktuellen pandemischen Entwicklung in den Schulen gab. Deutlich wurde dabei, dass der Lernertrag der Schülerinnen und Schüler im Distanzlernen ungefähr halb so groß war wie in normalen Zeiten des Präsenzunterrichts und dass die besonderen Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen im psychosozialen Bereich liegen. Ausführlich diskutiert wurden die aktuelle Inzidenzlage in den Schulen und die Perspektiven für das kommende Schuljahr.

Anschließend präsentierten Dr. Jennifer Meyer und Dr. Thorben Jansen (beide ebenfalls vom IPN) die Befunde einer aktuellen Befragung von Schulleitungen, Eltern und Schülerinnen und Schülern an schleswig-holsteinischen Schulen zum Umgang mit dem Distanzlernen im März und Juni. Dabei zeigte sich, dass alle Gruppen sich in dieser Zeit stärker belastet fühlten als vorher. Insbesondere die Schulleitungen gaben an, vor große Herausforderungen gestellt gewesen zu sein. Längsschnittlich zeigte sich ein erfreulicher Trend: Die zweite Phase des Distanzlernens wurde schon deutlich positiver beurteilt als die erste Phase.

Am Nachmittag des ersten Tages zeigte Prof. Dr. Isa Jahnke von der Universität Münster die besonderen Möglichkeiten des Unterrichtens und Lernens mit digitalen Medien. Ihre jahrelangen Erfahrungen aus Schulbesuchen in den USA, Schweden und Dänemark ließen erkennen, wie digitales Lernen funktionieren kann und welche Schritte und Veränderungen des Unterrichts und des Schullebens insgesamt auf diesem Weg nötig sind. Die faszinierende internationale Perspektive machte auch deutlich, dass in Deutschland die Entwicklung hervorragender digitaler Unterrichtsprogramme noch relativ am Anfang steht.

Dazu passend, stellten Dr. Thorben Jansen und Dr. Johanna Fleckenstein vom IPN am zweiten Veranstaltungstag die Entwicklung und Anwendung eines solchen Programms vor. In Zusammenarbeit zwischen IPN und IPL wurde ein Programm entwickelt, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz sowohl die diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften als auch die Schreibkompetenzen von Schülerinnen und Schülern trainieren kann. In einer Übung konnten die Teilnehmenden zehn kurze Texte bewerten; ihre diagnostischen Urteile wurden mit den Urteilen verglichen, die ein Computeralgorithmus errechnet hatte. Diese Software wird bereits eingesetzt, um Schülertexte in wenigen Sekunden bewerten zu lassen, damit Lehrkräfte zu entlasten und zugleich Schülerinnen und Schülern Rückmeldung zukommen zu lassen, damit sie ihre Texte verbessern können – eine Möglichkeit, die in der Diskussion sehr positiv aufgenommen wurde.

Im nächsten Block legte Prof. Dr. Volker Gerhardt von der Humboldt-Universität in Berlin dar, worin „Das unvergleichlich Neue der digitalen Medien“ besteht und welche Gefahren darin liegen. Aus philosophischer Perspektive wurde sehr beeindruckend dargelegt, dass die digitalen Medien mehr als vorangegangene Entwicklungen in ihrer Arbeitsweise dem menschlichen Bewusstsein ähnelten, ähnlich wie das menschliche Bewusstsein sozial vernetzt seien und ob der Passung ihrer Funktionsweise so erfolgreich und zugleich gefährlich seien. Aus dieser Gefahr ergebe sich die Notwendigkeit, gerade in den Schulen Demokratie- und Moralerziehung zu stärken, nur der oft anstrengende humane Umgang miteinander lasse uns in der Auseinandersetzung mit den digitalen Entwicklungen bestehen.

Abschließend moderierten Frau Sieglinde Huszak und Frau Dr. Désirée Burba (beide vom MBWK) einen Dialog zwischen Forschung und Schule und luden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu intensiven Diskussionen in Kleingruppen ein. Hierbei standen Visionen und Wünsche der Schulen im Fokus, aber auch ganz konkrete Implikationen für die eigene schulische Praxis. Die Ergebnisse der Kleingruppen verdeutlichen, dass die Inhalte der Sommeruniversität sehr gut an die Themen in Schulen anschließen konnten.

Auch in diesem Jahr wurden die Beiträge mit hohem Interesse und großer Diskussionsfreude aufgenommen. Auch wenn der ganz persönliche Austausch mit den Vortragenden und zwischen den Teilnehmenden bei einer Präsenzveranstaltung noch intensiver hätte sein können, funktionierte die digitale Tagung nicht nur hinsichtlich der Technik hervorragend: Die Teilnehmenden haben angeregt diskutiert, reflektiert und kritisch nachgefragt. Für das nächste Jahr wird daher daran gedacht, die Vorteile einer Präsenzveranstaltung mit den Möglichkeiten des Digitalen zu verbinden. Für die Sommeruniversität kann so eine positive Bilanz gezogen werden: Sie hat allen Teilnehmenden die Möglichkeit zum „Blick über den Tellerrand“ geboten und konnte den Dialog zwischen Schulen, Bildungsministerium und Wissenschaft erfolgreich anregen.

Jens Möller (Institut für Pädagogisch-Psychologische Lehr- und Lernforschung, IPL)